Die neue Masche der Bettlerbanden im ÖV

Sie verteilen Bittkarten in Tram, Bus und Zug und werden dabei äusserst aufdringlich. Das organisierte Betteln beschäftigt zunehmend auch die Polizei.

Eine kranke Tochter, die dringend Geld für eine Operation braucht, oder eine hungernde Familie: Wenn es um das Geldeintreiben geht, sind der Fantasie der Bettler keine Grenzen gesetzt. Neuerdings belagern sie mit ihren Bittkarten Passagiere in Tram, Bus und Zug. Ähnlich wie in vielen Restaurants werden die Karten mit einer schicksalhaften Geschichte verteilt, beim Wiedereinsammeln machen die Bettler die hohle Hand und werden dabei ziemlich aufdringlich: «Nachdem sie mit den Karten kräftig auf die Tränendrüse gedrückt haben, wollen sie mindestens 5 Franken», erklärt VBZ-Sprecher Andreas Uhl, der die Masche der Bettler aus eigener Erfahrung kennt.

Viele Bettler aus dem Ostblock

Nicht selten schalten die VBZ die Polizei ein. Diese rückt aus und stellt das erbettelte Geld sicher. Dabei wird der Bettler, gleich wie der Musizierende, beim Stadtrichteramt verzeigt. Im Schnitt kommt es monatlich zu einem Dutzend solcher Verzeigungen, Tendenz steigend sagt Polizeisprecher Marco Bisa auf Anfrage: «In den letzten Monaten fällt uns auf, dass mehr Bettler aus dem Ostblock in Zürich unterwegs sind. Das hat mit der EU-Osterweiterung zu tun.»

SBB verhängt Bahnhofsverbot

Auch im Zürcher Unterland belästigen Bettlerbanden, oft rumänische Fahrende, SBB-Passagiere. Wie in der Zeitung «Zürcher Unterländer» zu lesen ist, pilgern diese von Waggon zu Waggon und erhalten gemäss Augenzeugen regelmässig Geld. Die SBB raten dringend davon ab, Bettelnden Geld zu geben. Lässt sich ein Bettler erwischen, so wird er weggewiesen: «Beim zweiten Mal können wir ein Bahnhofsverbot verhängen. Missachtet der Bettler dieses, wird er verzeigt», so SBB-Mediensprecher Roman Marti.

 

 

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Das sind ihre Maschen

In Zürich betteln immer mehr Menschen. Dabei sind sie zuweilen äusserst hartnäckig und kreativ. Hier eine Auswahl ihrer Betteltricks.

Das klassische «Hesch mer en Stutz» ist rein subjektiv betrachtet die noch immer häufigste Methode von Bettelnden. Je nach Situation wird der Spruch angepasst: «Hast du mir 23 Franken? Ich muss dringend nach Bern», ist dabei die dreiste Variante, mit der ein Bettler Passanten im HB Zürich um Geld gebeten hat.

 

Weiterentwickelt hat diese Bettelmasche ein Italiener, der nicht nur im HB, sondern auch in Zügen auftritt. So erzählt er auf der Fahrt nach Luzern auf Italienisch, er habe sein Geld verloren. Er müsse nun aber dringend in die Heimat und brauche unbedingt 10 Franken, fleht er jeweils die Passagiere an. Um seine Not zu unterstreichen, hält er eine total zerfledderte Identitätskarte in die Höhe. Unklug nur, dass er immer wieder die selbe Strecke für seine Betteltour nutzt: Die Pendler kennen den Mann bereits.

 

Musik und der WC-Trick

Ebenfalls nicht von Erfolg gekrönt war der Versuch einer offensichtlich drogensüchtigen Frau, die von einem Passanten unter der Kronhausbrücke einen Franken für die Toilette verlangte. «Das öffentliche WC ist gratis», antwortete dieser. «Aber ich brauche das WC mit dem Wasserhahn», sagte die Bettlerin. Der Passant blieb hart: «Fliessendes Wasser hat es auf der öffentlichen Toilette», sagte er und und liess die Frau beleidigt zurück.

Eine beliebte Betteltaktik ist auch eine musikalische Darbietung. Einigermassen erfolgreich sind dabei Strassenkünstler, die ihr Instrument gut beherrschen, für das erhaltene Geld also einen Gegenwert bieten.

Auf der anderen Seite gibt es jene, die ihr Instrument so einsetzen, dass es selbst für ein musikalisch wenig sensibles Ohr eine Zumutung ist. So drückt der Bettler hinter dem Wiedikermarkt dermassen lust- und planlos auf den Tasten seines Keyboards herum, dass niemand stehen bleibt, um den Klängen zu lauschen. Trotzdem klingelt Geld in der Mütze am Boden. Unklar bleibt, ob die Spender Erbarmen mit dem Bettler haben oder hoffen, dass er bald genug Geld zusammen hat und bald weiterzieht.

 

Dort betteln, wo man nicht ausweichen kann

Immer häufiger kommen Bettelnde aus Osteuropa, hauptsächlich Rumänien, nach Zürich (siehe Box). Sie versuchen, vorwiegend in Trams Mitleid zu erregen und gehen dabei äusserst hartnäckig vor. «Ein junger Mann hielt mir das Bild eines verwahrlosten Kindes vor die Nase und streckte die Hand aus», bestätigt eine Trampassagierin gegenüber Tagesanzeiger.ch. Das sei besonders unangenehm, weil man im Tram nicht am Bettler vorbeigehen kann, sondern bis zur nächsten Haltestelle warten muss. «Am meisten gestört hat mich aber, dass ich denselben Bettler später mit einem Handy am Ohr gesehen habe», sagt die Passantin.

 

 

Immer mehr Bettler, immer mehr Verzeigungen

Die Stadtpolizei Zürich registrierte seit dem letzten Jahr eine Zunhame von Bettelnden aus Osteuropa, hauptsächlich Rumänien, wie Marco Cortesi, Medienchef der Stadtpolizei, bestätigt. Während früher kaum Probleme mit Bettlern in der Stadt bestanden – ausser vereinzelten Fällen an der Bahnhofstrasse – nahmen die Verzeigungen durch die Präsenz der Roma sprunghaft zu. Im März 2009 beispielsweise wurden 58 Verzeigungen vorgenommen und 1300 Franken beschlagnahmt. Die Roma sind laut Cortesi sehr gut organisiert und reisten in Cars durch die Schweiz. Oftmals seien es Jugendliche, die betteln und deshalb von der Polizei verzeigt werden. Ihnen wird das erbettelte Geld abgenommen, nach dem zweiten Mal droht ihnen Haft.